Hüsser Gmür + Partner AG, 12. Dezember 2022
Wichtige Aspekte für Verwaltungsräte (VR) von nicht börsenkotierten Unternehmen
Das neue Gesetz sieht eine Einzelwahl der VR-Mitglieder vor, es sei denn, die Statuten bestimmen nichts anderes oder der Vorsitzende der GV ordnet es mit Zustimmung aller vertretenen Aktionäre anders an. Das Einzelwahlsystem gilt allerdings als «Best Practice».
Die Amtsdauer wurde gegenüber dem aktuell geltenden Recht nicht verändert. Diese beträgt standardmässig drei Jahre, die Statuten können die Amtsdauer allerdings kürzer oder bis maximal 6 Jahre festlegen. Wichtiger Exkurs in diesem Kontext: Das Amt der VR-Mitglieder endet mit Ablauf des sechsten Monats nach dem letzten Geschäftsjahr ihrer Amtszeit, wenn keine GV nach Art. 699 Abs. 2 OR durchgeführt oder die Wahl des VR nicht traktandiert wurde (Bundesgerichtsentscheid 4A_496/2021). Daraus kann ein Organisationsmangel im Sinne von Art. 731b OR resultieren.
Eine Altersgrenze oder eine maximale Anzahl von aufeinanderfolgenden Amtszeiten gibt das neue Recht nicht vor.
Nach herrschender Meinung wurden bereits VR-Sitzungen auf schriftlichem Weg oder in elektronischer Form abgehalten. Das neue Recht sieht diese Formen nun explizit vor. Zirkulationsbeschlüsse durch den VR können neu unter Verwendung elektronischer Mittel gefasst werden.
Auch die Durchführung der GV wird modernisiert. Diese können ab anfangs 2023 ohne physische Präsenz virtuell durchgeführt werden. Auch eine hybride Durchführung der GV ist möglich, bei welcher eine Präsenz-GV mit zusätzlicher virtueller Übertragung vorgenommen wird. Dabei ist zwingend zu beachten, dass die Identität der Teilnehmenden festgestellt werden muss, die unmittelbare Übertragung der Voten sowie das Antrags- und Diskussionsrecht gewährleistet werden und das Abstimmungsrecht unverfälscht ermittelt werden kann. Eine Beschlussfassung auf dem schriftlichen Weg ist anhand eines Zirkularbeschlusses zulässig, wenn alle Aktionäre dieser Form ausdrücklich zustimmen. Eine schriftliche GV kann auch mittels Urabstimmung abgehalten werden, sofern die Mehrheit der Aktionäre dieser Form zustimmen. Das neue Recht ermöglicht es, GV’s auch im Ausland durchzuführen. Dazu sowie auch für eine reine virtuelle GV wird eine statutarische Rechtsgrundlage vorausgesetzt, was eine Statutenänderung notwendig macht.
Das Sanierungsrecht sieht neu eine explizite Pflicht zur Überwachung der Liquidität sowie zur Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit durch den VR vor. Wie weit in die Zukunft die Überwachung und Sicherstellung vorzunehmen ist, wird vom Gesetz nicht vorgegeben. Im Grundsatz ist eine Periode von mindestens sechs Monaten bei kleineren und zwölf Monate bei grösseren Unternehmungen zu empfehlen.
Weist die Jahresrechnung einer Gesellschaft einen Kapitalverlust nach Art. 725a nOR aus, so entfällt die sofortige Einberufung einer GV durch den VR, er hat jedoch Massnahmen zur Beseitigung des Kapitalverlustes zu ergreifen. Untersteht die Gesellschaft keiner Revision (Opting-Out), muss die letzte Jahresrechnung vor ihrer Genehmigung durch die GV einer eingeschränkten Revision unterzogen werden (Art. 725a Abs. 2 nOR). Die Abnahme einer nicht entsprechend geprüften Jahresrechnung durch die GV kann zur Nichtigkeit des Beschlusses führen.
Bei einer Überschuldung kann der VR von der Benachrichtigung des Gerichtes absehen, wenn ausreichend Rangrücktritte vorliegen oder die Überschuldung innert 90 Tagen seit Vorliegen der Zwischenabschlüsse behoben werden kann. Zu beachten ist im Zusammenhang mit Rangrücktritten, dass diese künftig zwingend den geschuldeten Betrag sowie die Zinsforderungen umfassen müssen (Art. 725b Abs. 4 Ziff. 1 nOR).
Die Pflichten des VR zur Einreichung eines Gesuchs um Nachlassstundung bei drohender Zahlungsunfähigkeit sowie die Benachrichtigung des Gerichtes im Falle einer Überschuldung werden neu im Gesetz als unübertragbare und unentziehbare Aufgaben des VR definiert (Art. 716a Abs. 1 Ziff. 7 nOR).
Das bisherige Recht sah für Gesellschaften keine Möglichkeit vor, aus dem Erfolg des laufenden Geschäftsjahres Zwischendividenden auszuschütten. Bis anhin konnte nach erfolgter ordentlicher GV nur anlässlich einer ausserordentlichen GV eine Dividende zulasten des frei verwendbaren Eigenkapitals beschlossen werden. Diese Möglichkeit wird künftig weiterhin bestehen.
Ergänzend dazu sieht das neue Recht nun explizit Zwischendividenden vor (Art. 675a nOR). Da der Gesellschaft durch diese Interimsdividenden Mittel entzogen werden, muss zwingend ein Zwischenabschluss nach den Grundsätzen zur Jahresrechnung erstellt werden (Art. 960f nOR). Unterliegt die Gesellschaft einer Revision, muss der Zwischenabschluss durch die Revisionsstelle geprüft werden. Wenn sämtliche Aktionäre der Zwischendividende zustimmen und die Forderungen der Gläubiger durch die Zwischendividende nicht gefährdet werden, kann auf die Prüfung allerdings verzichtet werden.
Als VR gilt es zu beachten, dass nur Dividenden einer GV vorgeschlagen werden, welche die Liquidität nicht gefährden. Ansonsten liegt eine Verletzung der Sorgfaltspflicht vor.
In Art. 674 nOR gibt das neue Recht eine klare Reihenfolge der Verlustverrechnung vor. Verluste müssen zuerst mit dem Gewinnvortrag und danach mit den freiwilligen Gewinnreserven verrechnet werden. Verbleiben weitere Verluste, können diese auf die neue Rechnung vorgetragen oder zuerst den gesetzlichen Gewinnreserven und danach den gesetzlichen Kapitalreserven in Abzug gebracht werden. Diese Reihenfolge gilt es künftig beim Antrag des VR an die GV zur Verwendung des Bilanzgewinnes zu beachten.
Die Delegation der Geschäftsführung ist nach dem neuen Recht grundsätzlich möglich. Abweichende Regelungen können diesbezüglich in den Statuten vorgegeben werden und die Delegation kann damit ganz oder teilweise untersagt werden. Wird die Geschäftsführung nicht delegiert, üben die VR-Mitglieder die Geschäftsführung gemeinsam aus.
Die Vermeidung sowie Bewältigung von Interessenkonflikten ist Teil der allgemeinen Sorgfalts- und Treuepflicht der VR-Mitglieder (Art. 717a nOR). Liegen Interessenkonflikte vor, müssen VR- oder auch Geschäftsleitungsmitglieder den VR unverzüglich und detailliert darüber informieren. Die notwendigen Massnahmen zur Wahrung der Interessen der Gesellschaft werden dann vom VR getroffen.
Werden durch den VR oder Geschäftsleitungsmitglieder ungerechtfertigte Leistungen bezogen, sind diese zur Rückerstattung verpflichtet. Die Voraussetzung, dass diese Leistungen in bösem Glauben bezogen wurden, fällt unter dem neuen Recht weg. Zusätzlich sind auch Leistungen, welche in einem offensichtlichen Missverhältnis zur Gegenleistung oder nicht mehr zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft stehen, rückerstattungspflichtig.
Ab Einführungsdatum des neuen Rechtes müssen die Angehörigen des obersten leitenden Organes (u.a. VR bei Aktiengesellschaften) nicht mehr zahlreiche Anmeldungen beim Handelsregister unterzeichnen. Beispielsweise können Eintragungen oder Löschungen von zeichnungsberechtigten Personen fortan durch andere im Handelsregister eingetragenen Personen oder sogar von bevollmächtigten Dritten unterzeichnet werden. Auch künftig werden jedoch vereinzelte Ausnahmen verbleiben, bei welchen die Anmeldung zwingend vom obersten leitenden Organ unterzeichnet werden muss.
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